hurry up

Mit der Sonne ging’s quer über den Kontinent und als ich im Abendlicht hier einschwebte, war der Akku leer. Zu Hause erwartete mich eine Mail, die Peet’s Coffee als Treffpunkt für den nächsten Morgen vorschlug, ja gut, dann muß ich halt…und es war gut so. Manche Menschen sind einfach angenehm, und so einer ist Jay Graves, Chef der Bike Gallery. Als einzelner Laden gegründet ist das inzwischen ein Unternehmen mit 6 Ladenlokalen, aus denen sich die erschöpften Vorbesitzer jeweils herauskaufen ließen…die Service-Trophäen heute sieht man auf der Website. Jay ist seit Gründung 1974 dabei und kann dementsprechend gut die (Rad-)Entwicklung dieser Stadt skizzieren, seine Frau arbeitet unter anderem für’s Community Cycling Center und Matt Cardinal von Signal hat lange in der Bike Gallery geschraubt und ist heute noch für’s Artwork zuständig.

Am Nachmittag dann zu Mitch Pryor von und hinter MAP Bicycles. Hab ich schon erwähnt, dass ich ja eigentlich gedacht hatte, die meisten der Leute die ich hier treffe wären wegen Rädern hierher gekommen? Stimmt aber nicht, einige – das kommt immer wieder – sind einfach ihren Freundinnen/Frauen/Partnern gefolgt, die hier anderweitig zu tun hatten. Jedenfalls ist es bei Mitch auch so. Er teilt sich eine große (!) Werkstatt mit Joseph Ahearne, was mich das gute Dutzend vorderer Rahmendreiecke an der Werkstattdecke als Kelly Roshambo erkennen und an Basti denken liess… Okay, Mitch jedenfalls fuhr früher BMX, studierte Philosophie und baut inzwischen hauptsächlich im Dreieck Commuter / Tourer / Randonneur mit einem Anspruch, der ihm 2009 auf der NAHBS den Best City Bike Award einbrachte. Ich finde ja, dass diese Räder ziemlich “Portland” sind bzw. ich hätte sie hierher geraten, interessanterweise steht es aber gerade auf diesen nicht drauf. Keine Ortsangabe auf dem Rahmen, was uns eine ganze Weile über diese Verortung, das ganze anhängende Image und die Punkte, wo das vielleicht überspannt wird hat reden lassen. Letztenendes sehr lange, da ist jemand schön relaxt und selbständig unterwegs und weiß trotzdem, wo er von diesem Ort hier profitiert und der Ort von ihm. Gutgut. Am Ende des Tages stand die Erkenntnis, dass mehr als 4 Stunden konzentriertes Interviewen pro Tag doch recht weich machen können im Kopf.

Achso, MAPs flickr.

Weiter mit Ed Dalton von Showers Pass. Ja, das ist bike related industry und kein Rahmenbau, aber das ganze Diskussionsfeld aus lokaler/regionaler vs. überseeischer Produktion, Relevanz von Herkunft, Einsatz von Orten als Artikelnamen machte sich da schön auf. Mir fiel das auf beim Blick in den Katalog. Die Produkte heissen Club, Elite 2.0, Touring, Softshell Trainer usw. und dann gibt es eine Jacke namens…Portland. Wieso dieser Ausbruch aus dem Benennungsmuster, was sagt das über den gewählten Namen, wie stark ist diese Marke und das damit verbundene Image? Offensichtlich ziemlich. Und zumindest für die Zielgruppe ziemlich positiv konnotiert, seien das nun Leute von hier die eben auch “von hier” kaufen wollen oder Leute von dort, die gerne ein Stück mehr von hier hätten. Interessant auch die Diskussion um Produktionsstandorte, Qualitätsniveaus “hier” und “dort”… “Dort” kann man auf jeden Fall einiges, meint auch Ed. Und die Gründe, dann doch noch etwas “hier” machen zu lassen, liegen nicht unbedingt in der Qualität, die man erzielen will. Darüber haben wir gesprochen, Ed kommt aus der Schuhindustrie (Nike, Adidas, Columbia, Keen, Fila sind oder waren hier) und hat schon bei New Balance in Massachusetts Berührung mit der Standortfrage gehabt. Und das interessiert mich besonders, weil diese Fragen eben beim “hier” produzierten Custom-Rahmen genauso mitschwingen. Und ich versuche besonders dann genau hinzuhören, wenn der eben mit dem Surly aus Taiwan verglichen wird. Speaking of mitschwingings… Hier übrigens die Jacke, Modell Portland. Und Ed Dalton.

Es gibt übrigens noch ein zweites Beispiel mit dieser Produktnamengeschichte, Trek Portland. Muss ja Gründe haben. Okay, in dem Fall gibt es inzwischen auch ein Soho und ein Valencia, das Portland war aber eine ganze Weile (mit dem Madone) allein.

Weiter mit Kenji Sugahara von der Oregon Bicycle Racing Association. Das mach ich kurz, vieles steht im von Kenji verfassten wikipedia-Artikel. OBRA ist eine unabhängige, staatsweite Rennorganisation, die sich vor allem um Amateurrennen kümmert. Solche Organisationen gibt es auch in anderen Staaten, die OBRA bezeichnet sich aber als erfolgreichste unter diesen. Höchste Renndichte per Mitglied, steigende Mitgliederzahlen, 12% Mitgliederzuwachs allein in der ersten Hälfte diesen Jahres…und eine Menge an Rennen, Strasse, Cross, Short Track (Cross Country)…alles ausser Freeride. Für Portland besonders bedeutend sicher die Cross Crussade, um die ich mich nochmal gesondert kümmern muss. Wenn die Teilnehmerzahl pro Renntag vierstellig wird hat das was zu bedeuten.

Weiter ging es dann mit Sean Chaney von Vertigo, der ausschließlich Titanrahmen anbietet und seit 2006 im Geschäft ist. Und er baut hauptsächlich 29er, also Mountainbikes, was auch nicht gerade typisch ist. Besonders viele Trails gibt es in der Stadt nicht. Auch Sean ist seiner Frau nach Portland gefolgt und hat dann die Möglichkeit gesehen, sein ewiges Tüftlerinteresse (take it all apart and put all together again) in einen Beruf einfließen zu lassen. Kennt jemand die Boone-Chainguards für die 960er XTR-Kurbel? Sean hat sie entworfen, wie er auch früher schon eigene Komponenten baute und heute viele seiner Werkzeuge (Anschlußstücke für Argonumspülung beim Titanschweißen etc.). Sein persönliches Rad folgt dann auch dieser Linie und ist mit allerlei Schmäckerchen versehen, Press-Fit-Bottom-Bracket, spezielle Sockel für Paul-Cantis, integrierte Sattelstütze und integrierter hinterer Bremszug und das in Titan. Ich bekam mächtig Lust, sofort mit dem leichten Gerät ein paar Runden zu drehen.

Alles weitere findet sich in Seans flickr-stream.

Am letzten Sonntag fand dann mit der Multnomah County Bike Fair der Abschluß des Pedalpalooza statt, und sofern mir das möglich war, war ich dabei. Diverse Stände waren aufgebaut und vermittelten einen Eindruck radbezogener Geschäfte in verschiedenen Stadien. Neben handgedruckten Heften/Büchern/Magazinen, allen möglichen Arten (!) von Bekleidung mit allen möglichen aufgedruckten Fahrradmotiven, Lenkertaschen aus Duct-Tape und Uhren aus Kettenblättern mein ungeschlagener Favorit: Cycle Dog.

For active people with active dogs. Recycled collars and leaches made from reclaimed bike tubes. Handmade in Portland, OR.

Da steckt viel drin.

Außerdem gab’s sämtliche Arten von Joustings, also – wie nennt man das eigentlich sonst? – Kämpfe Fahrer gegen Fahrer, ob auf Tallbikes oder Einrädern. Außerdem Auftritte der Sprockettes, und eh ich versuche das zu erklären hier ein Video vom letzten Jahr. You get the idea. Irgendwann haben wir uns darauf geeinigt, daß das, was wir da sahen, ungefähr mit “15 people going nuts and everybody else watching” umschrieben werden konnte.

Soweit erstmal, in a bit:

G.

Autor:
Datum: Mittwoch, 8. Juli 2009 1:46
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2 Kommentare

  1. 1

    Danke, wie immer klasse Bericht und sehr passende und lebendige Bilder.

  2. 2

    Bitte, danke, gerne!

    G.

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