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heading south

Montag, 20. Juli 2009 14:28

Nach diesem Interviewmarathon (der mehr oder weniger anhält), ging es auf dem Globus nach unten (Grüsse….). Vorher aber noch zu ACME, oder besser Dean Cannard, einem der Lackierer vor Ort. Und Lack (oder Pulver), das ist ein Nadelöhr in dem Geschäft. Es gibt Leute, die bauen in Titan, damit sie das Ergebnis nicht jemand anderem zur endgültigen Be-Oberflächung überlassen müssen. Eins der Gerüchte um Custom-Rahmen ist der One Armed Painter, dessen Schwiegermutter im Sterben liegt und der deshalb die Schüssel doch nicht mehr in den nächsten sechs Monaten fertig bekommt… Also, Dean meint, so Sachen kommen vor. Der Mann kann einiges, er scheint nur teilweise etwas überfahren von der Nachfrage, die dieses spriessende Rahmenbaunest generiert. Und so generiert es sich halt Alternativen, wie zum Beispiel Coat unter den Fittichen von Sacha White (Vanilla), aber dazu kommen wir später. Dean erzählte mir zwei Stunden lang und die lichtdurchflutete, grosse Werkstatt erlaubte mir auch endlich mal gute Innenansichten. Die jüngeren Ursprünge (nicht nur) Portland’scher Lackiererei liegen übrigens in der massenhaften Specialized- bzw. S-Works-Beschichtung. Stosse ich immer wieder drauf.

Und ab in den Süden (von Oregon). Der nächste Lackierer wartet, Keith Anderson. Lackierer treffen macht Sinn, weil durch deren Hände viele Rahmen von sonstwoher gehen und die einiges sehen, hören, mitbekommen. Und Keith gehört zu den Leuten im südlichen Oregon, deren Websites nicht so fancy, die aber schon etwas länger im Geschäft sind. Und eine andere Generation, wahrscheinlich nicht nur die Websites betreffend. Landshark, DeSalvo, Keith Anderson, ausserdem noch Jeff Jones, Wolfhound…alle hier, verstreut im Gelände. Und so schaffe ich es dann zwar mit den angedachten viereinhalb Stunden Autofahrzeit nach Grants Pass, suche dort aber noch über eine halbe Stunde rum, weil Google Maps die eine Sackgasse nicht kannte. Keith war gesprächig aber meine Zeit leider begrenzt.

Rahmen baut er übrigens auch, zum Beispiel den 24-Zöller hier. Aber er hat fast vollkommen umgesattelt auf Lackierung, vor Jahren schon. Warum? Weil man damit halbwegs Geld verdienen kann, besser als mit Rahmen (das muss nicht viel heissen…). Und meine Frage war dann, wieso alle Welt Rahmenbauer sein will und damit ein verdammt hartes Business starten, anstatt Lackierer zu sein. Warum gibt es keinen aufstrebenden Lackierer-Star, Gestaltungsmöglichkeiten sind ja da?

Rein ins Auto und eine Stunde weiter, nach Ashland, zum United Bicycle Institute, UBI. Ich bin zu spät (die Sackgasse), ballere über den Interstate, versuche nebenbei den Ipod für’s nächste Interview nachzuladen, es ist heiss…und dann ist er trotzdem irgendwie leer, der Akku vom Ipod. Egal, schauen wir uns erstmal um:

Was passiert hier? Mechanik- und Rahmenbaukurse (Stahl/Titan), in zwei grossen Räumen, von denen zumindest einer ständig belegt ist, Gastlehrer wie Paul Sadoff, Jim Kish, Mike DeSalvo oder auch Stammpersonal wie Gary Mathis (ex Fat Chance/IF) sprechen für sich. Im Februar 2008 waren bis zum November alle Kurse ausgebucht, die Schule besteht seit 1981 und hat Kunden weltweit. Heisst: Es gab schon Leute, die aus Australien für einen Mechanikkurs eingeflogen sind. Zwei Wochen Räder auseinander nehmen und zusammen setzen. Jedenfalls ist die Schule definitiv ein Einfallstor für die aktuelle Rahmenbauwelle, auch wenn ich bei meinen Interviews oft auch auf andere “Lehrstellen” stosse. Wie bereits erwähnt wird UBI noch in diesem Jahr eine “Zweigstelle” in Portland eröffnen (Pressemitteilung [pdf]), eine Woche später traf ich dann auch abermals Ron Suthpin, Gründer und Chef, diesmal in Portland.

Das wird die neue Bikeschool, und wenn sich alles so entwickelt, wie Ron & Co. sich das vorstellen, wird auch diese Dependance brummen, mit ausgeklügelten Angeboten und Partnern vor Ort könnte sich gar eine Art Campus entwickeln. Und: Portland ist wesentlich einfacher zu erreichen als Ashland, es gibt Direktflüge aus Asien und Europa. Dass das United Bicycle Institute USA-weit einzigartig ist, vermutet man schon, hier noch ein paar Zahlen: Bisher 12.000 Schüler und Schülerinnen aus 40 verschiedenen Ländern, davon 30% von der amerikanischen Westküste, 10% aus Kanada, insgesamt ca. 10-15% Teilnehmerinnen. Einer solchen “Women Only”-Klasse hatten wir nach dem Rundgang auch das Bier und Abendessen zu verdanken, das fast die gesamte Belegschaft dann am Abend zu sich nahm. Ein Dankeschön des letzten Kurses. Irgendwann fragte Ron, wo ich schliefe (tent or car…), um mich kurz darauf bei John & Kelly einzuquartieren. John arbeitet im UBI. Die beiden haben ein komfortables Gästezimmer und machen ausserdem ein ausgezeichnetes Frühstück.

Danach besahen wir uns die Independence Day Parade in Ashland (mehr Bilder ab hier) und ich machte mich auf in Richtung Nordost. Mein Ziel war Crater Lake, ein vollgelaufener Vulkankrater, mit 594 m zweittiefster See Nordamerikas und relativ hoch gelegen, man fährt also aufwärts zum See. Auf dem Weg dahin endlose Wälder, beklebte Autos, Postkartenaussichten und dieser Blick: Die Gipfel am Horizont gehören zum Krater. Oben sieht das so aus:

Beeindruckend, Schneekontakt, leider nicht alle Pfade begehbar. Und danach ging es dann doch noch auf eine Nachtfahrt, zurück in den Norden, beleuchtet von Feuerwerken und Gewitterblitzen, durch ein Indianerreservat und endlose Nadelwälder, auf denen ab und zu ein Truck zu überholen war und sonst nichts. Open Space, wie man’s nimmt.

In a bit:

G.

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hurry up

Mittwoch, 8. Juli 2009 1:46

Mit der Sonne ging’s quer über den Kontinent und als ich im Abendlicht hier einschwebte, war der Akku leer. Zu Hause erwartete mich eine Mail, die Peet’s Coffee als Treffpunkt für den nächsten Morgen vorschlug, ja gut, dann muß ich halt…und es war gut so. Manche Menschen sind einfach angenehm, und so einer ist Jay Graves, Chef der Bike Gallery. Als einzelner Laden gegründet ist das inzwischen ein Unternehmen mit 6 Ladenlokalen, aus denen sich die erschöpften Vorbesitzer jeweils herauskaufen ließen…die Service-Trophäen heute sieht man auf der Website. Jay ist seit Gründung 1974 dabei und kann dementsprechend gut die (Rad-)Entwicklung dieser Stadt skizzieren, seine Frau arbeitet unter anderem für’s Community Cycling Center und Matt Cardinal von Signal hat lange in der Bike Gallery geschraubt und ist heute noch für’s Artwork zuständig.

Am Nachmittag dann zu Mitch Pryor von und hinter MAP Bicycles. Hab ich schon erwähnt, dass ich ja eigentlich gedacht hatte, die meisten der Leute die ich hier treffe wären wegen Rädern hierher gekommen? Stimmt aber nicht, einige – das kommt immer wieder – sind einfach ihren Freundinnen/Frauen/Partnern gefolgt, die hier anderweitig zu tun hatten. Jedenfalls ist es bei Mitch auch so. Er teilt sich eine große (!) Werkstatt mit Joseph Ahearne, was mich das gute Dutzend vorderer Rahmendreiecke an der Werkstattdecke als Kelly Roshambo erkennen und an Basti denken liess… Okay, Mitch jedenfalls fuhr früher BMX, studierte Philosophie und baut inzwischen hauptsächlich im Dreieck Commuter / Tourer / Randonneur mit einem Anspruch, der ihm 2009 auf der NAHBS den Best City Bike Award einbrachte. Ich finde ja, dass diese Räder ziemlich “Portland” sind bzw. ich hätte sie hierher geraten, interessanterweise steht es aber gerade auf diesen nicht drauf. Keine Ortsangabe auf dem Rahmen, was uns eine ganze Weile über diese Verortung, das ganze anhängende Image und die Punkte, wo das vielleicht überspannt wird hat reden lassen. Letztenendes sehr lange, da ist jemand schön relaxt und selbständig unterwegs und weiß trotzdem, wo er von diesem Ort hier profitiert und der Ort von ihm. Gutgut. Am Ende des Tages stand die Erkenntnis, dass mehr als 4 Stunden konzentriertes Interviewen pro Tag doch recht weich machen können im Kopf.

Achso, MAPs flickr.

Weiter mit Ed Dalton von Showers Pass. Ja, das ist bike related industry und kein Rahmenbau, aber das ganze Diskussionsfeld aus lokaler/regionaler vs. überseeischer Produktion, Relevanz von Herkunft, Einsatz von Orten als Artikelnamen machte sich da schön auf. Mir fiel das auf beim Blick in den Katalog. Die Produkte heissen Club, Elite 2.0, Touring, Softshell Trainer usw. und dann gibt es eine Jacke namens…Portland. Wieso dieser Ausbruch aus dem Benennungsmuster, was sagt das über den gewählten Namen, wie stark ist diese Marke und das damit verbundene Image? Offensichtlich ziemlich. Und zumindest für die Zielgruppe ziemlich positiv konnotiert, seien das nun Leute von hier die eben auch “von hier” kaufen wollen oder Leute von dort, die gerne ein Stück mehr von hier hätten. Interessant auch die Diskussion um Produktionsstandorte, Qualitätsniveaus “hier” und “dort”… “Dort” kann man auf jeden Fall einiges, meint auch Ed. Und die Gründe, dann doch noch etwas “hier” machen zu lassen, liegen nicht unbedingt in der Qualität, die man erzielen will. Darüber haben wir gesprochen, Ed kommt aus der Schuhindustrie (Nike, Adidas, Columbia, Keen, Fila sind oder waren hier) und hat schon bei New Balance in Massachusetts Berührung mit der Standortfrage gehabt. Und das interessiert mich besonders, weil diese Fragen eben beim “hier” produzierten Custom-Rahmen genauso mitschwingen. Und ich versuche besonders dann genau hinzuhören, wenn der eben mit dem Surly aus Taiwan verglichen wird. Speaking of mitschwingings… Hier übrigens die Jacke, Modell Portland. Und Ed Dalton.

Es gibt übrigens noch ein zweites Beispiel mit dieser Produktnamengeschichte, Trek Portland. Muss ja Gründe haben. Okay, in dem Fall gibt es inzwischen auch ein Soho und ein Valencia, das Portland war aber eine ganze Weile (mit dem Madone) allein.

Weiter mit Kenji Sugahara von der Oregon Bicycle Racing Association. Das mach ich kurz, vieles steht im von Kenji verfassten wikipedia-Artikel. OBRA ist eine unabhängige, staatsweite Rennorganisation, die sich vor allem um Amateurrennen kümmert. Solche Organisationen gibt es auch in anderen Staaten, die OBRA bezeichnet sich aber als erfolgreichste unter diesen. Höchste Renndichte per Mitglied, steigende Mitgliederzahlen, 12% Mitgliederzuwachs allein in der ersten Hälfte diesen Jahres…und eine Menge an Rennen, Strasse, Cross, Short Track (Cross Country)…alles ausser Freeride. Für Portland besonders bedeutend sicher die Cross Crussade, um die ich mich nochmal gesondert kümmern muss. Wenn die Teilnehmerzahl pro Renntag vierstellig wird hat das was zu bedeuten.

Weiter ging es dann mit Sean Chaney von Vertigo, der ausschließlich Titanrahmen anbietet und seit 2006 im Geschäft ist. Und er baut hauptsächlich 29er, also Mountainbikes, was auch nicht gerade typisch ist. Besonders viele Trails gibt es in der Stadt nicht. Auch Sean ist seiner Frau nach Portland gefolgt und hat dann die Möglichkeit gesehen, sein ewiges Tüftlerinteresse (take it all apart and put all together again) in einen Beruf einfließen zu lassen. Kennt jemand die Boone-Chainguards für die 960er XTR-Kurbel? Sean hat sie entworfen, wie er auch früher schon eigene Komponenten baute und heute viele seiner Werkzeuge (Anschlußstücke für Argonumspülung beim Titanschweißen etc.). Sein persönliches Rad folgt dann auch dieser Linie und ist mit allerlei Schmäckerchen versehen, Press-Fit-Bottom-Bracket, spezielle Sockel für Paul-Cantis, integrierte Sattelstütze und integrierter hinterer Bremszug und das in Titan. Ich bekam mächtig Lust, sofort mit dem leichten Gerät ein paar Runden zu drehen.

Alles weitere findet sich in Seans flickr-stream.

Am letzten Sonntag fand dann mit der Multnomah County Bike Fair der Abschluß des Pedalpalooza statt, und sofern mir das möglich war, war ich dabei. Diverse Stände waren aufgebaut und vermittelten einen Eindruck radbezogener Geschäfte in verschiedenen Stadien. Neben handgedruckten Heften/Büchern/Magazinen, allen möglichen Arten (!) von Bekleidung mit allen möglichen aufgedruckten Fahrradmotiven, Lenkertaschen aus Duct-Tape und Uhren aus Kettenblättern mein ungeschlagener Favorit: Cycle Dog.

For active people with active dogs. Recycled collars and leaches made from reclaimed bike tubes. Handmade in Portland, OR.

Da steckt viel drin.

Außerdem gab’s sämtliche Arten von Joustings, also – wie nennt man das eigentlich sonst? – Kämpfe Fahrer gegen Fahrer, ob auf Tallbikes oder Einrädern. Außerdem Auftritte der Sprockettes, und eh ich versuche das zu erklären hier ein Video vom letzten Jahr. You get the idea. Irgendwann haben wir uns darauf geeinigt, daß das, was wir da sahen, ungefähr mit “15 people going nuts and everybody else watching” umschrieben werden konnte.

Soweit erstmal, in a bit:

G.

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lord don’t slow me down

Sonntag, 14. Juni 2009 1:50

Massive material influx! Es sei abermals gesagt, daß ich hier nur anreißen kann. Die Inhalte der Interviews lassen sich schlecht kompakt und gleichzeitig umfassend darstellen, es ist einfach zu viel los und ich müßte sie mir nochmals komplett anhören…diese wunderbare Arbeit hebe ich mir für später auf. Wie immer versuche ich einen Überblick.

Donnerstag traf ich mich wiederum mit Andy Newlands, um per Rennrad hinaus zu Dave Levy von TiCycles zu fahren ins “Man Camp”, was letztendlich ein Haus im Wald beschreibt, voll mit Fahrrad-, Motor- und Kunstwerken aller Art. Männlich? TiCycles…Titan, genau. Dave ist seit 1990 im Geschäft, verlagerte vor einigen Jahren seine Werkstatt aus…richtig, Seattle, hierher und ist gerade dabei, eine multifunktionale, ziemlich große Allzweckwerkstatt in seinem Waldstück einzurichten. Neben den 25-30 Rahmen, Rahmensets und Kompletträdern im letzten Jahr macht er viele Reparaturen, rüstet Rahmen nachträglich mit S&S-Couplers aus (Kupplungen im Rahmen für einfache Zerlegbarkeit zum Beispiel auf Flugreisen) und baut außerdem Autoteile aller Art. Der Kundenstamm ist relativ regional, begonnen hat er mit einem BMX-Rahmen 1974 und in seinen Augen sind für Portands Image bestimmend: Fixie Bike Dorks. Nach einem kurzen Rundgang (sein Mitarbeiter hatte gerade ein Paket für einen ungenannten Schwarzwälder Kurbelfetischisten aufgegeben…) fuhren wir zu dritt durch’s Hügelland zum Lunch und gaben uns der Frage nach dem aktuellen Rahmenbautrend und der erwarteten Überlebensrate hin. Beide haben da einiges zu sagen, Levy ist zum Beispiel auch President der OBCA. Man sieht: Keine “Internet-Marke”. Wer kannte ihn? Ich nicht. Ich könnte mal schauen, ob ein Zusammenhang Webauftritt – Businessjahre besteht.

Weiter ging’s dann, kurz auf einen Sprung beim ACME Paintshop vorbei zwecks Erstkontakt und Gesprächstermin, und auf dem Skyline Boulevard trennten sich unsere Wege. Ergiebig! Abends ging’s zu Caleb Klauder in den Spare Room, Susha (Mitbewohnerin) steht drauf und ich jetzt auch. Und ich kann tanzen, übrigens!

Freitag war Signal-Tag. Matt empfing mich in der Werkstatt und nahm sich 90 Minuten Zeit für mich.  Er (und ich) ordnen Signal in eine Welle mit Courage ein, also junge Unternehmen mit sehr definiertem optischen Auftritt, Homepage und flickr-Stream geben da ganz gut Aufschluß. Das Logo find ich großartig. Im Geschäft seit 2008, sind die beiden ein tolles Beispiel für Rahmenbauer, die ihr Geschäft aufgrund der hier vorzufindenden Umstände starteten. Matt war lange Zeit angestellt in der Bike Gallery, reparierte dort ab und zu Rahmen und arbeitete irgendwann für sechs Monate bei Vanilla mit. Die Ankündigung der NAHBS 2008 in Portland war dann der entscheidende Funke, Signal zu starten. Paßt mir sehr gut ins Konzept. Und ja, das ist ein schneller Start, inzwischen haben sie’s sogar in dieses tolle Buch geschafft, das Rahmenbauer (keine Frau dabei) weltweit vorstellt: Custom Bicycles. A Passionate pursuit. (Empfehlung).

Und heute dann Metrofiets. Worauf sich der Name bezieht ist klar, die Amsterdam-Copenhagen-Connection gibt’s nicht nur unter Planern. Ich wußte nicht, was mich erwartet, und das ist manchmal gut. Neben der Bauchpinselei, daß die beiden durchaus eine kleine Schmiede für Ponyvelos und andere Raumgleiter einzuordnen wußten, erwies sich Jamie als Metal-Guy, der mit 14 Jahren seinen ersten Rahmen baute, mit allen möglichen anderen Löt- und Schweißarbeiten aufwuchs und 2007 mit Phillip eben dieses Unternehmen startete. Die beiden bauen und verkaufen Cargo Bikes (flickr), die vor allem lokal eingesetzt werden und mit einigen Bling-Parts und Details, die ich bisher in dieser Kategorie noch nicht kannte, aufwarten. Und ja, lokal lokal lokal. Rohmaterialien, Komponenten, Netzwerke…eingebunden vor Ort, kurze Wege, und natürlich sind sie sich auch in Portland über den Weg gelaufen. Wir sind nicht fertig geworden und werden uns wohl nochmal zum Bier treffen.

Nebenbei, überhaupt und vor allem ist zur Zeit aber Pedalpalooza. Two weeks of bike fun. Sich dem komplett hinzugeben, schafft kein Mensch.

Und eh ich versuche, das irgendwie zu beschreiben, schaue man bitte auf diesen Kalender. Zwei Wochen, 198 Events. Einhundertachtundneunzig. Ich habe das Gefühl, das läßt sich als Aussage lesen… Ich werde nicht viel davon mitnehmen können, war aber wenigstens heute mit Dirk beim Cirque du Cycling Criterium, wo wir neben zwei Stürzen (einmal Carbonrahmen an fünf Stellen gerissen…fühlt sich schon beim Danebenstehen beschissen an) einiges an Kurvenräubern sahen. Hochprofilcarbonlaufräder im Rudel und auf Speed haben diesen speziellen Sound…lustigerweise waren dort auch fünf der Leute, die ich sowieso heute noch anschreiben wollte…paßt.

Das war’s im Schnelldurchlauf. Sollte sich jemand Gedanken machen: Langweilig ist mir nicht.

In a bit:

G.

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don’t worry

Donnerstag, 4. Juni 2009 3:28

Hallo! Bitte keine Sorgen machen ob kryptischer Andeutungen meinerseits, mir geht’s hier ganz gut bis auf ein paar blöde Fallen, die mir so ein Typ aus Leipzig manchmal stellt, aber ich werde mit ihm fertig. Und: Es gibt viel zu tun, darum stocken die Beiträge etwas und ich kann endgültig nur in Auszügen berichten. Das soll aber jetzt passieren.

Die letzte Woche begann mit einem sehr interessanten Treffen mit Sam Oakland, der sich unter anderem als treibende Kraft hinter dem 1971 erlassenen Oregon Bicycle Bill sieht. Wichtig insofern, als daß es festlegt, daß mindestens ein Prozent der Mittel für Straßenbau für Fuß- und Radverkehr ausgegeben werden müssen und damit ein Grund dafür, daß hier ein ziemlich annehmbares Radwegenetz entstanden ist.

Footpaths and bicycle trails, including curb cuts or ramps as part of the project, shall be provided wherever a highway, road or street is being constructed, reconstructed or relocated.

Außerdem: Oakland “erfand” die Bicycle Lobby, eine Gruppe, über die es noch mehr herauszufinden gilt. Unter anderem durch einen Stapel Kopien von Originaldokumenten, die er mir zukommen läßt und eine Diplom/Master(?)arbeit, die jemand über ihn und sein Wirken (?) geschrieben hat. Der Mann ist rührig, kam als junger Mann in die Gegend und hat es nach Stationen als Bike-Lobbyist, Englisch-Professor und Anwalt inzwischen zum United States Forest Service Park Ranger gebracht, was er, wie er sagt, schon immer sein wollte. Prima prima, gute Informationen!

Um die Lobbyarbeit unabhängig von Status und Geschlecht zu machen, firmierte er in den frühen Siebzigern unter “S. Oakland, Clerk” (siehe Briefkopf, Buchhalter/Schreiber), was er nicht ohne Stolz hervorhob und mich an die Gender-Expert_innen back home denken ließ, was ich sowieso ziemlich oft tu.

Jonathan Maus hatte auch Zeit für mich, dummerweise konnte ich nicht aufnehmen, da nach der wahnsinnig spannenden Aufzeichnung meiner Hinfahrt zum Treffen in der Tasche der Akku…naja, passiert, mir jedenfalls. In das Shirt wird er hoffentlich reinwachsen.

Am Montag ging es dann zu Aaron Hayes von Courage, und das war dann ziemlich gut. Er zählt zu der jungen Welle neuer Rahmenbauer, die am UBI ihre ersten Schritte in Sachen Rahmenbau taten und seitdem ziemliche Öffentlichkeit genießen. Der Best New Builder Award auf der NAHBS 2008 hat dazu einiges beigetragen, er verkauft inzwischen von Japan bis nach Schweden, interessanterweise noch kein einziges Rad nach Portland. Acht Jahre Berufserfahrung als Designer hinterlassen ziemlich deutliche Spuren auf seinen Rädern und seiner Marke, für mich einer der besten “jungen” vor Ort. It’s obviously not just about building bikes…später vielleicht mehr.

War ein sehr interessantes, langes Interview mit einigen tollen Zitaten. Framebuilding als romantischer Entwurf in der Außensicht, let’s talk about the inner facts. Wies mich auf diesen Artikel hin, den ich mir morgen vornehmen werde.

Gestern dann neben allem organisatorischem Kram ging es zu Andy Newlands von Strawberry. Er ist der dienstälteste Rahmenbauer vor Ort, baut seit 1971 und verkauft heute größtenteils Rahmenbau-Hardware. Außerdem ist er Gründungsmitglied der Oregon Bicycle Constructors Association, über die auch noch einiges herauszufinden ist, kurzer Abriß und Gründungsmitglieder hier. Talk about networking. Seine Perspektive ist eine völlig andere, viel weniger internet-driven, nach zwei Stunden hab ich die Aufnahme abgeschaltet und wir sind alte Kataloge durchgegangen, er kramte sogar einen Retrovelo-Katalog hervor und seine Frau setzte sich zu uns. Was für ein Glück: Die beiden sind der Überzeugung, daß Frans Pauwels einer der wichtigsten Begründer hiesiger Cycling Tradition ist. Und: Seine Frau hat über ihn gerade einen Artikel fertiggestellt, der bald veröffentlicht werden soll und sich seit gestern unter anderem auch in meinem Besitz befindet. Noch nicht gelesen, aber sie hat einige Leute getroffen und öffnet mir damit ein weiteres Feld, mit dem ich nicht gerechnet habe. Es gab dann Diner, zu dem ich eingeladen wurde und irgendwann endeten wir in der Einfahrt, rauchend, trinkend und mit weiteren Verabredungen. Fundstück aus der Antwort von Raleigh Industries, 1971, auf eine Anfrage Newlands hinsichtlich Rahmenbaus:

Makes me jump up and down, damit kann ich arbeiten.

Und heute dann Jay Sycip, der bei der wiederbelebten Marke Cielo im Hause Chris King die Serienfertigung handgebauter Rahmen betreut. Wie so viele ist er vor nicht langer Zeit hierher gekommen und damit perfekter Gesprächspartner für mich, wenn es um die Aufschlüsselung der Anziehungskraft geht, die Portland für (u.a.) “Bike People” zu haben scheint. Immerhin hat er Sycip verlassen, wo er 16 Jahre lang Rahmenbauerfahrung mit seinem Bruder Jeremy sammelte. Und was in punkto Anziehungskraft immer wieder fällt: Quality of Life. Ob aus Seattle, San Francisco, Los Angeles oder wo auch immer kommend, immer wieder sind niedrige Lebenshaltungskosten, Density (Dichte in allen möglichen Dimensionen), die Möglichkeit, ohne besondere Klimmzüge hauptsächlich per Rad vorankommen zu können die schlagenden Argumente, neben all den ebenso kleinteiligen Geschwistern der Bike-Szene die da heißen: Microbrews (kleine Brauereien), Coffeeshops (Kaffee…), Arts, Fashion…attracting the creative class war ein Schlagwort. Es ist schwierig, das hier alles vorkommen zu lassen, trotzdem: Tolles Ding, wenn sich das selbst entworfene Argumentationsfeld in den Gesprächen verdichtet, wenn ich teilweise genau die Sachen höre, die ich vermutet habe, wenn teilweise ungefragt die gleichen Wortgruppen fallen…es könnte wirklich schwieriger ablaufen. Rahmenbau verdient endlich einen eigenen Artikel, in dem es nicht nur um Rahmen geht.

Jedenfalls war das Sycip-Meeting ein derart ergiebiges, daß ich es mir auf dem Nachhauseweg gleich nochmal angehört habe, nachdem ich noch Gasthörer eines Treffens OBCA – bikeportland.org sein durfte. Bei hier gebrautem Bier, klar.

Morgen treffe ich dann Greg Fredette, Director hinter Veer, der für den Film ein paar Akteure der hiesigen Bike-Szene (mir gehen die Übersetzungen aus…) ein Jahr lang begleitete, was auch ganz spannend werden dürfte. Danach geht es dann per Zug nach Seattle und am Freitag weiter nach Vancouver, British Columbia, wo mich die Leute von Momentum für anderthalb Tage aufnehmen, Expertinnen für North American Cycling Cities und regelmäßige NAHBS-Besucher. Canada, here we come!

Das also mein Bericht in Auszügen, wer immer noch nicht genug hat:

Jeff Mapes (wir erinnern uns) verkauft ziemlich viele Bücher und bekommt ein Review (wieder) in der New York Times von David Byrne. Und ein semi-legales Rennen auf Kinderrädern (dark, fast and sometimes even brakeless [Reizwort included here for your convenience]) bekommt von der über Jahre Sonntag nachts durchjagten Stadt einen 10.000$-Fahrradständer geschenkt.

In a bit:

G.

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meeting sustainable people

Mittwoch, 20. Mai 2009 10:34

Gestern Vorgestern war ich wie gesagt Teilnehmer eines Meetings von Vertretern der Bike Industry und Bürgermeister Sam Adams. Mighty interesting! Anwesend waren unter anderem Vertreter von Sweetpea Bicycles, Chris King, Showers Pass, Bike Gallery, River City Bicycles und einige andere mehr. Adams, im Amt seit dem 1.1.2009 und vorher unter anderem als Chef des Portland Office of Transportation und des Portland Bureau of Environmental Services tätig, genießt hohe Akzeptanz innerhalb der Bike Community. Im letzten Jahr fiel mir auf, daß er (bzw. sein damaliges Büro) einer von drei Haupt(!)sponsoren der NAHBS war und offensichtlich auf Wählerstimmen aus dem Bikebereich baute.

Im gestern verteilten, zu 80% komplettierten Dokument namens City of Portland Economic Development Strategy (.pdf) heißt es dann auch:

Portland’s economic future lies in its greatest strength, the sustainable way of life that has been meticulously cultivated over the past 40 years. This strategy builds in that tradition by offering the following goal:

To build the most sustainable economy in the world.

Das klingt…durchaus ambitioniert. Und:

International Leadership in Sustainability

Portland is now positioned as the frontrunner to be the capital of the global green economy. This unique competitive position is due to the following interrelated factors:

1. Existing concentration of firms in clean technology and sustainable industries.

Portland is home to one of the most significant concentrations in the U.S. of firms in the renewable energy, environmental services, recycling, and green building sectors. In particular, the city boasts notable concentrations of green building and wind energy firms, including the North American headquarters of Vestas and Iberdrola. The metro region is benefitting from an influx of solar energy firms, which now number nearly 40.  Equally important is a growing supply of experienced employees for clean tech firms: the region possesses talent clusters 84% greater than similar sized regions for renewable energy and 43% greater for environmental services and recycling. In short, when clean tech and other green firms are seeking a location to form or expand their businesses, Portland is on the list and usually near the top.

2. Years of recognized leadership in all facets of sustainable living – green building, transit, land use, recycling, and bicycle use.

Portland has become the ultimate laboratory for innovations in alternative energy, green building and green living.  An unwavering commitment over nearly 40 years to producing and enhancing a cleaner, more sustainable lifestyle has produced a city and region at the forefront of alternative transportation use, green and energy efficient building, and promotion and usage of non‐carbon‐based energy sources.    In the race to be proclaimed the greenest city in America, Portland has the distinct advantage of actually doing more than just talking about sustainability ‐ and businesses, entrepreneurs, and aspiring green sector talent know this. Investment and talent seeking a place in the emerging green economy now gravitate to Portland.

Es ist ein städtisches und somit politisches Dokument, aber man bekommt einen Eindruck des Hintergrunds, vor dem sich Fahrrad hier abspielt. Diverse Male ist mir inzwischen auch die Bezeichnung Portlands als “Ecotopia” zu Ohren gekommen. Und als ich gestern bei New Seasons, dem Supermarkt für die grün-bewußten und entsprechend kleingeldbewehrten Konsument_innen des dritten Jahrtausends einkaufen war, waren natürlich alle Fahrradständer belegt. Auch während des Meetings angesprochen: Man brauche mehr Parkmöglichkeiten für Transporträder.

Interessant ist aber auch die Beschreibung des “sustainable way of life” als in den letzten 40 Jahren “meticulously cultivated”, also ein akribisch aufgebauter/kultivierter Lebensstil. Deswegen treffe ich mich am Freitag auch mit Sam Oakland, dem bei der Mapes-Lesung getroffenen Bike-Veteran, zum ersten tiefschürfenden Interview. “Sustainable way of life” bezieht sich offensichtlich auf mehr als Fahrradverkehr und generelle Fahrradverehrung, aber sie sind ein Teil dessen, soviel ist klar. Nebenbei bedeutet das auch, liebe Freunde des einfachen Weltbilds, daß sogar unter Bad Poster Boy Bush andere Fahrzeuge rollten als SUVs und ab und zu ein Panzer. Wer hätte das gedacht? (Es gibt tatsächlich Menschen mit offensichtlichen, teilweise unverzeihlichen Bildungslücken, die mich ob meiner Fahrradrecherchen in den USA relativ fragend angeschaut haben.)

Okay, das Meeting. Einen kleinen mentalen Freudensprung machte ich bei Adams Frage: “How to extend the brand?” Wie die Marke ausbauen? Die Marke Portland. Denn, es geht hier um Imagebildung. Es ging um Messeauftritte mit Portland-Ständen (auch Eurobike fiel), es ging um Artikel in der New York Times, und mir fällt da ziemlich schnell zum Beispiel eine Ausstellung oregonischer Rahmenbauer ein, die im letzten Jahr auf dem Flughafen zu sehen war.

Video übrigens online gestellt von der Portland Development Commission.

Kauft man sich ein Rad von hier, weil man eben an dieses “Sustainable Portland” oder auch an Cyclocross Portland anschließen will? Kauft sich jemand, der in LA wohnt und ein Rad namens Farmers Market anschafft, damit sein Bekenntnis zu einem umweltfreundlichen, ressourcenschonenden und energieeffizienten Lebensstil, und sei es auch nur für sich selbst (Man sollte als Fahrradmensch [brrr....] nie vergessen, wie herzlich egal der eigene Untersatz dem sozialen Umfeld [glücklicherweise!?!] bisweilen ist…)? Ob und inwieweit das zutrifft – neben anderen Gründen – versuche ich herauszufinden. Unter anderem werde ich schauen, wie viele Rahmenbauer_innen einen Slogan wie “Handmade in Portland, Oregon” auf Kettenstrebe/Sitzrohr etc. aufbringen und inwiefern sich Kunden explizit auf die Herkunft des Rahmens/Rades beziehen. Und ob es Sweetpeas bis LA schaffen. Wir werden sehen.

Das Meeting drehte sich auch noch um andere Punkte, Krankenversicherung, Bike-Infrastruktur, öffentlichkeitswirksames Auftreten Adams’ bei lokalen Top-Events wie der Cross Crusade und die Öffnung “subkultureller” Events für den Mainstream, Average Joe oder wie auch immer man den durchschnittlichen Bürger bezeichnen will. Am Ende versicherte man sich gegenseitig seiner Wertschätzung und ich fragte noch ein paar Interviewtermine an. Dort so einfach reinzukommen und einen Einblick in die Kommunikation lokaler Akteure zu bekommen gehört zu den unberechenbaren Zufällen, in die ich hier auf jeder Tour reingetaumelt bin. Verlassen kann ich mich nicht drauf, aber spannend ist es immer wieder.

Zum Abschluß ein Bild meines überdimensional sustainable Abendessens nach einer abermaligen Genußfahrt auf meinem neuen Haustrail hinunter zur St. Johns Bridge.

In a bit:

G.

Thema: Allgemeines | Kommentare (5) | Autor: