Larch Mountain I
Ich habe den verdammten Jetlag unterschätzt. Freitag früh raus, sehr früh, produktiv sein, Mittagsspaziergang, abfallende Aufmerksamkeitskurve und ab in den Dämmerzustand mit fliegendem Wechsel in Richtung Tiefschlaf. Herrje. Trotzdem, teilweise mit Hilfe des wissenschaftlichen Betreuerstabs back home kann ich ein paar Punkte abarbeiten.
Gestern schiele ich aus meinem nachmittäglichen Dämmerzustand zur Karte und entdecke dort Larch Mountain, einen längst erloschenen Vulkan, und wäre ich physischer Geograph, folgten jetzt hier drei Absätze dazu. Der bin ich aber nicht. Jedenfalls ist Larch Mountain angenehm hoch (1238 m) und der vergleichende Blick auf Portland offenbart mir, daß das eine Differenz von 1223 Höhenmetern ergibt. Gut, ich sitze etwas auf dem Hügel, lassen wir es 1200 m sein. Auf der Karte sieht er verdammt nah aus, wie so oft in diesem Land. Ich verschätze mich hier ständig hinsichtlich Entfernungen, das weitgehend schachbrettartige Straßenmuster täuscht immer wieder Nähe vor und so sind es dann doch um die 60 km bis zum Gipfel. Eine asphaltierte Straße führt hinauf, das ist genau was ich brauche.
Nach Reifenwechsel, Frühstück, Anruf zu Hause, Anruf zu Hause II und einem kurzen Gespräch mit Familie Rehfeld lege ich los, Müdigkeit abschütteln, Körper durchpumpen, hinaus hinaus zum Marine Drive. Kurz vor dem Flughafen will ich dieses Bild machen. On. Off. On. Klappe auf. Der Akku liegt wohlig schlummernd im Ladegerät. Ich bin nicht mal wütend, ich lache über mich selbst und drehe um. Wer weiß, ob ich die Tour nochmal machen kann, Kamera muß mit. Als ich wieder los fahre ist es halb eins… Und der Marine Drive streckt sich. Ich überhole ein fahrendes Klischee (Kona Sutra, Brooks, Titec H-Bar) und Rennradfahrer allen Alters und Geschlechts spielen mit mir Sonntag. Irgendwann erreiche ich Troutdale, quere die Gleise und befinde mich an der Einfahrt zum Historic Columbia River Highway.
Schlagartig befinde ich mich in einer kleinen Schlucht zwischen Felsen und Wasserlauf, gespickt mit Ausflugslokalen und Häusern unter oregonischen Riesenbäumen. Das dauert nicht lang, ich verlasse die Schlucht und die Steigung beginnt. Stetig, nicht zu leugnen, moderat bis ordentlich. Und auch hier wieder: Schaue ich auf eine Karte, habe ich ein Bild. Eine Landschaft baut sich aus Signaturen auf und der Prozeß, wenn sich diese Scheinwelt in Realität übersetzt ist immer wieder spannend. Es sieht natürlich völlig anders aus.
Kleine Farmen, steile Ein- und Ausfahrten, sehr wellige Wiesen und lichte Waldstücke. Bis sich der Wald komplett zusammenzieht und ich einfach nur noch steige. Die Möglichkeit verschneiter Straßen hatte ich ignoriert (im letzten Jahr noch im Juni…), das geht ab einem bestimmten Punkt doch nicht mehr: Snow Zone – Traction Devices May Be Needed. Weiter, weiter, kleinster Gang, Wiegetritt, hinsetzen, trinken, Weste auf, prusten…das geht erstaunlich lang aber irgendwann ist Schluß. Neben einem anthroposophischen Volvo (Schleußig goes world) werfe ich Beef Jerky, Riegel und Gel ein, finde Wasser und lande nach Erholung an diesem hübschen Bauwerk:
Drunter durch, noch ein paar Kurven, Schnee neben der Straße, noch mehr Schnee…Schluß. Ein herbeieilender CR1-Pilot versichert mir, daß wir ca. zwei Meilen vor dem Gipfel stehen und ich frage mich, ob ich zum letzten Mal an dieser Stelle stehe. Ich denke nicht.
Also werfe ich mich in die Abfahrt und wundere mich während des Gleitens, wie weit ich mich doch hochgedrückt habe. Mein rechtes Knie signalisiert Anwesenheit und das wiederum wundert mich jetzt nicht mehr. Egal, ich biege anders ab und muß mir eine alternative Aussicht verschaffen, erwische wiederum den Historic Columbia River Highway und lande an Crown Point, einem wirklich großartigen Aussichtspunkt über dem Fluß.
Der Blick geht in Richtung der Columbia River Gorge, Elbtal ist definitv anders. Rechts: Larch Mountain. Ich muß bis kurz unterhalb der linken (nördlichen) Schulter unterwegs gewesen sein. In Richtung Portland öffnet sich das Tal und fast noch besser ist kurz darauf der Blick vom Chanticleer Point.
Danach geht es endgültig wieder nach unten, der Heimweg ist weit und mein Knie meldet sich zunehmend. Die letzten 25 Meilen sind wirklich nicht besonders lustig, ich schleiche am Flughafen vorbei durch North East Portland, esse vor einer Kirche Eis und sehne mich zu den Katzentieren. Bei denen angekommen verfolge ich mich samt aller Umwege auf GoogleMaps, das waren doch über 145 km und somit eine erstklassige Trainingsausfahrt für kommenden Samstag. Wenn der wegen Kniefragen nichts wird haben wir ein Problem.
Neben dem ganzen Freizeitvergnügen werden natürlich auch noch andere Sachen geplant. Mein Fragebogen zum Beispiel wird immer besser, und das muß er auch, wenn man sich mal fragt, wann man selbst zum letzten Mal einen solchen lustvoll ausgefüllt hat. Ich versuche so klar, präzise, verbindlich und diskret wie möglich zu sein. Ob das Ansinnen, hier mal eben im Rundumschlag die relevanten Produktionszahlen der lokalen Rahmenbauer zu erheben anmaßend ist, wird sich zeigen. Spannend find ich’s allemal, eigentlich wird es Zeit. Ich muß das selbst wissen und die eine oder andere dahinschlingernde Diskussion könnte wahrscheinlich auch mal ein paar Fakten vertragen.
Außerdem habe ich, wenn’s gut geht, am Dienstag einen ziemlich interessanten Termin.
So, mein Sonntag neigt sich seinem Ende entgegen und ich verbleibe mit einem betrübten:
In a bit:
G.
Montag, 11. Mai 2009 2:29
*first comment abo?*
Werthester,
schönen Dank für Bild und Schwank! Ich grüß mein linkes Knie von Deinem rechten. Die 160 km von GÖ nach WE (7:20 h netto) am Samstag sitzen mir noch tief.
Schön, dass ein Ruck geht! Cheers, D.
Montag, 11. Mai 2009 11:22
Bittedanke, es rückt ständig… Wenn ich losfahre weiß ich immer warum ich’s mache und wenn ich ankomme auch, aber dazwischen ist’s manchmal nicht ganz klar.
Montag, 11. Mai 2009 14:30
Hau Ruck!
Mr. Grover…mir entlockt es ein gar neidisch seufzen wenn ich diese wundervollen Fotos sehe!
gar zauberhaft…das Große und Ganze